Kreis Ludwigsburg
Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom
30.10.2003
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Eigentlich ist alles ganz einfach Stufen zum
Erfolg Knigge für
Hauptschüler LUDWIGSBURG. Dass Halsbänder mit Nieten und
ein schlaffer Händedruck im Bewerbungsgespräch keinen guten Eindruck
machen, lernen zurzeit Hauptschüler im Kreis. Gestern ist das Projekt "Die
Stufen zum Erfolg" in der Hirschbergschule in Eglosheim gestartet
worden.
Von Lukas Jenkner
Daniel Bohlender weiß, dass er in
seinem Outfit für die meisten Personalchefs wohl eher Schreckgespenst denn
künftiger Mitarbeiter wäre. Im schwarzen Mantel und in dunkler Kleidung
steht der Schüler im Klassenraum im Obergeschoss der Ludwigsburger
Hirschbergschule. Um seinen Hals trägt er Schmuckketten und ein schwarzes
Band mit Nieten. Nein, so würde er nicht zum Gespräch gehen, sagt er und
lächelt Anna Pressl verlegen an. Die Göppinger Image-Beraterin vermittelt
der Eglosheimer Hauptschulklasse in einem zweistündigen Schnellkurs die
Grundlagen des richtigen Auftretens und der korrekten Kleidung. Das
Benimmtraining bildet den Auftakt zum Projekt "Die Stufen zum Erfolg"
(siehe Kasten). Das Äußere ist dabei nur einer der Fallstricke, in dem
sich die Schüler verfangen können.
"Es ist eigentlich ein ganz
einfacher Vorgang", sagt Anna Pressl. Es geht um den ersten Kontakt, die
Begrüßung und das Händeschütteln. Der Bewerber wartet darauf, dass ihm der
Chef die Hand reicht, nicht zu fest darf der Händedruck sein, aber auch
nicht zu schlaff. Die Schüler sollen Blickkontakt halten. Der Mann stellt
sich immer zuerst vor, im Gegensatz zu früher stehen heute auch junge
Damen bei der Begrüßung auf. Für die Schüler ist eigentlich alles klar,
doch unter der freundlichen, aber bestimmten Aufsicht von Anna Pressl wird
daraus ein kleiner Staatsakt. "Was ist hier falsch?" fragt sie und reicht
einer Schülerin die Hand. Die Arme müssen leicht angewinkelt sein,
erfahren die Schüler dann. Und weil es doch ein bisschen mehr als anfangs
gedacht zu beachten gibt, fällt der Praxistest von Meryem (Bewerberin) und
ihrem Mitschüler Viktor (Chef) etwas holprig aus. "Ich habe gedacht, er
gibt mir gleich die Hand und bietet mir einen Platz an", sagt Meryem. Doch
die Schüler lernen noch etwas an diesem Vormittag: Nicht jeder Chef kennt
alle Regeln des richtigen Benehmens.
Möglicherweise gilt es also zu
warten. Auch da gibt es einiges zu beachten. Dass die Hände nicht in die
Hosentaschen gehören, so weit kommen die Schüler noch mit. Aber wohin mit
den Extremitäten? "Eine Hand hält die andere", sagt Anna Pressl und zeigt
es: die Hände vor dem Bauch verschränken. "Aber nicht beim Reißverschluss,
das passt zum Fußballspielen, wenn man in der Mauer steht." Die Herren
stellen die Füße parallel zueinander, die Damen dürfen sie ein bisschen
versetzen. "Breitbeinig zu stehen, sieht bei Frauen etwas seltsam
aus."
Nach zwei Stunden haben die Schüler einiges gelernt: dass ein
guter erster Eindruck vieles leichter macht im weiteren Gespräch; dass
gutes Benehmen kein Hexenwerk ist, sondern fast automatisch kommt, wenn
sie ihrem Gegenüber mit Respekt begegnen; und dass das alles ein ganz
einfacher Vorgang ist. Eigentlich . . .
Die Göppinger
Wirtschaftsjunioren haben das Projekt "Die Stufen zum Erfolg" vor zwei
Jahren in ihrem Landkreis in mehreren Hauptschulklassen gestartet.
Anfänglich gar nicht als Fortsetzung geplant, war die Nachfrage jedoch so
groß, dass das Projekt im Schuljahr darauf in zwölf Hauptschulklassen
startete. Zurzeit nehmen allein im Kreis Göppingen mehr als 40
Klassenverbände mit etwa 1000 Schülern teil. Das Projekt ist mehrfach
ausgezeichnet und wird inzwischen von der Landesstiftung Baden-Württemberg
gefördert. Deshalb kann es nun in der Region umgesetzt werden. Auch in
Stuttgart gibt es in diesem Jahr Kurse.
Im Kreis Ludwigsburg sind
in diesem Schuljahr die Kirbachschule in Hohenhaslach (Stadt Sachsenheim),
die Tobias-Mayer-Schule in Marbach und die Hirschbergschule in
Ludwigsburg-Eglosheim dabei. An diesen Schulen nehmen die Hauptschüler der
achten Klassen zu Beginn an einem Benimmkurs teil, erhalten ein
Bewerbertraining mit Videoaufnahmen, knüpfen mit Betriebspraktika Kontakte
zu Unternehmen und erstellen von ihrem Projekt schließlich am Ende eine
Präsentation.
Das Besondere an den "Stufen zum Erfolg": Alle
Bausteine sind verzahnt und bauen aufeinander auf. Betreut werden die
Hauptschüler in den einzelnen Veranstaltungen ehrenamtlich von mehreren
Wirtschaftsjunioren. Die Ziele des Projekts: die Schüler sollen sich
besser verkaufen können, bei den Unternehmen sollen Vorurteile gegen
Hauptschüler abgebaut werden. Idealerweise haben die Schüler am Ende einen
Ausbildungsvertrag in der Tasche.loj 30.10.2003 -
aktualisiert: 30.10.2003, 05:06 Uhr | |