Bericht der Marbacher Zeitung vom 21.11.2003
Tobias-Mayer-Hauptschüler werden von Imageberaterin für ihre Bewerbungen fit
gemacht Mit Knigge eine Lehrstelle ergattern Wertvolle
Tipps und praktische Übungen: das Projekt »Stufen zum Erfolg« der Ludwigsburger
Wirtschaftsjunioren
MARBACH. Bewerben, aber wie? Keine leichte Frage für die
Achtklässler der Tobias-Mayer-Hauptschule. Zwei Jahre vor dem Schulabschluss
wächst die Unsicherheit bei den 15Jährigen. Schüchtern sitzen sie an diesem
Morgen in ihren Bänken. Vor ihnen Anna Pressl in roter Kostümjacke - und mit
vielen Ideen. Kleider machen Leute - und so interessieren sich die angehenden
Bewerber natürlich auch für die Feinheiten des Krawattenbindens. Fotos: MZ
Einige der Schüler haben sich in Schale geschmissen. Tragen einen Anzug mit
Krawatte, einige der Mädchen sind im Rock gekommen. »Wie zum
Vorstellungsgespräch«, lautete die Vorgabe von Imageberaterin Anna Pressl.
Schnell lässt sie Namensschilder malen. Dann schon die erste Lektion per
Powerpoint: Wer war Adolf Freiherr von Knigge? Ein Mann, der 1788 ein Benimmbuch
geschrieben hat, mit dem Leitspruch »Interessiere dich für andere, wenn du
willst, dass sie sich für dich interessieren. Mache niemanden, auch den
Schwächsten nicht, in Gesellschaft anderer lächerlich. Und halte immer Wort,
auch in den kleinsten Dingen.« Mit Moral allein käme Anna Pressl bei den
Schülern niemals an. Deshalb wählt sie Beispiele: Wer arbeitet, will um sich
herum die Welt verändern - so wie ein Achtklässler, der morgens am Bus den
jüngeren und damit auch schwächeren Schüler die Sitzplätze überlässt. Tugenden
sind gefragt, und das auch im Beruf, wenn Arbeitgeber darauf achten, dass ein
Mitarbeiter anderen Höflichkeit und Respekt entgegenbringt. Das fängt bei der
Haltung an. Die Füße nicht nach hinten ziehen, sondern leicht nach vorne
orientiert - das vermittelt im Bewerbergespräch Selbstbewusstsein. Den Kopf
weder duckmäuserisch einziehen noch hochnäsig nach oben strecken. Es sind die
kleinen Stolperfallen, die einem Chef vorschnell ein schlechtes Bild vermitteln
könnten. »Das Bewerbergespräch ist ein besonderer Anlass«, impft die
Imageberaterin ihren Schützlingen ein. Die Jugendlichen sollen sich lustlos
hinsetzen, um danach die richtige Haltung einzunehmen. »Wir können etwas dafür
tun, dass wir auf andere sympathisch wirken«, so ihre Losung. »Sie werden
manchem Erwachsenen voraus sein«, verspricht Anna Pressl, nachdem sie erklärt
hat, dass helle Farben in der Kleidung gleich ein wenig freundlicher wirken als
dunkle. Im Kreis wird das später genauer besprochen. Die Mädchen lernen, dass
ihr Rock mindestens über das Knie reichen muss. Die Jungen erfahren, dass eine
Krawatte für einen 15- bis 16-Jährigen nicht unbedingt Pflicht ist. Aus ihrer
Praxis steuert Personalberaterin Elisabeth Fischer immer wieder Wissenswertes
bei. Auf gewaschene Haare etwa achte sie und saubere Fingernägel. Und wer zu
spät zum Vorstellungsgespräch komme, habe bei ihr fast keine Chance mehr. Die
Vorsitzende der Wirtschaftsjunioren veranstaltet das Projekt »Stufen zum Erfolg«
speziell für Hauptschulen. Gegen das Vorurteil, Hauptschüler hätten ein
geringeres Leistungsvermögen als andere Schüler, entwickelten die Göppinger
Wirtschaftsjunioren bereits Ende der 90er-Jahre ihr Programm, das im Jahr 2001
an drei Schulen umgesetzt wurde. Beim Händegeben zählt der Blickkontakt.
Außerdem sollten beide Partner in etwa gleich stark zudrücken, weiß
Imageberaterin Anna Pressl. Der Knigge-Kurs für Bewerber steht am Anfang, im
März geht es mit einem Bewerbertraining weiter. Dann kommen Unternehmer in die
Schule und führen mit den Jugendlichen Vorstellungsgespräche. Weitere Stufen
sind ein Motivationstraining »Lernen mit Begeisterung« und erweiterte
Betriebsbesichtigungen mit Praktika sowie eine Präsentation beim Forum der
Wirtschaftjunioren. »Die Jugendlichen sollen erfahren, dass sie bei ihrer Suche
begleitet werden«, sagt Elisabeth Fischer. Ziel sei immer ein
Ausbildungsvertrag. »Die Schüler haben sich auf das Knigge-Seminar schon vorher
gefreut«, sagt Klassenlehrer Peter Mathe, der von der guten Stimmung während der
ersten beiden Unterrichtsstunden angetan war. Neben der Marbacher
Tobias-Mayer-Hauptschule nehmen auch die Ludwigsburger Hirschbergschule und die
Häfnerhaslacher Kirbachschule an dem Programm teil. Beworben hatten sich zehn
Schulen im Kreis. ols |