Stufen zum Erfolg, 21.10.2008
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Evangelischer Pressedienst (epd) vom 28. Oktober 2003
Die Benimm-Tante soll's richten "Der Trend verschiebt sich von Erwachsenenkursen zu Kursen für Kinder und
Jugendliche", sagt Hostmann. Gute Manieren sind für die Trainerin nicht nur
Glückssache. Das richtige "Know-how" gehört auch dazu, weiß sie. Nach der
Ankündigung des saarländischen Kultusministers Jürgen Schreier (CDU), er werde
ab Februar Anstand und Benehmen auf den Stundenplan setzen und das "Ende der
Unhöflichkeit" einleiten, sei die Nachfrage nach Kursen nochmals gestiegen. Praktiker wie der Leiter des evangelischen Internatsgymnasiums Schloss
Gaienhofen am Bodensee, Dirk Vollkammer, halten einen Knigge-Unterricht für
unumgänglich. "Das Vermitteln guter Umgangsformen ist ebenso wichtig wie die
Heranführung an die Kurvendiskussion", sagt er. Viele Eltern und Unternehmer in Deutschland warten aber nicht auf die Schule,
sondern schicken ihre Kinder oder Azubis in Knigge-Kurse. Wie stark darf ich
mich schminken? Was mache ich, wenn ich niesen muss? Wie reagiere ich, wenn ein
Junge nach Knoblauch riecht? - Das sind häufig gestellte Fragen in Hostmanns
Kursen. Sie gibt den Jugendlichen Tipps, was man am Telefon sagt, wie man eine
Forelle isst und am elegantesten aus einem Fettnäpfchen wieder herauskommt. Die durch Fernsehauftritte bekannte Kommunikationstrainerin und Autorin
Elisabeth Bonneau ("Knigge für Kids") stellt bereits seit Mitte der 90er Jahre
bei Erwachsenen einen Trend zu Knigge-Kursen fest. Daher sei es kein Wunder,
"dass man das den Kindern jetzt auch beschert". Ein untrügliches Zeichen dafür,
dass gute Umgangsformen bei Jugendlichen immer gefragter sind, ist für Dagmar
von Cramm aus Freiburg die Steigerung der Auflage ihres Buches "Kinder-Knigge".
Dies sei "sehr untypisch" für ein Buch, das bereits seit zwei Jahren auf dem
Markt ist. Julia C. Belmore, Trainerin beim Management Centrum Schloss Lautrach im
Allgäu, bietet in Firmen Seminare für angehende Führungskräfte und Azubis an.
"Die Wartelisten sind lang. Wer teilnehmen kann, ist hoch motiviert." Belmore
vermittelt den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dass gute Umgangsformen vor
allem etwas mit Lebensfreude und dem Wahrnehmen des anderen zu tun haben. "Viele
meinen, sie müssten eine Ich-AG sein nach dem Motto: Ich komme durch die Tür und
der andere nicht. Wenn du aber gut drauf bist, lässt du jemanden vor." Die 15-jährige Josephine Loretz vom Münchner Willi-Graf-Gymnasium sieht das
ähnlich. Sie fände es toll, wenn alle Schüler wenigstens die grundlegenden
Umgangsformen lernten. Anna Gianmarco (14) aus München wünscht sich, dass die
soziale Intelligenz und der Umgang miteinander gefördert werden. "Aber es ist
mehr in, cool zu sein. Vielen fehlt das Selbstvertrauen, die eigene Meinung zu
sagen." "Gute Umgangsformen der Jugendlichen werden im privaten und beruflichen
Umgang zunehmend geschätzt", weiß Karl Hermann Künneth, Leiter von Seminaren für
gutes Benehmen in München. Die Realität sieht für ihn jedoch anders aus: "Die
meisten Jungs rotzen und rülpsen, zeigen ein total rüpelhaftes Benehmen und
glänzen mit unflätigster Ausdrucksweise." Von einem Benimm-Unterricht an Schulen
hält Künneth aber wenig: "Welche Lehrer wollen sie dazu verwenden? Manche sind
ja schlechter angezogen als die Schüler." Gernot Imgart, Direktor des Hauptschulprojekts "Stufen zum Erfolg" der
Wirtschaftsjunioren Göppingen, kann über den Vorschlag des saarländischen
Kultusministers und die Reaktionen "nur schmunzeln". Die Wirtschaftsjunioren
hätten bereits seit 2001 ohne viel Aufsehen Benimm-Unterricht in die
Klassenzimmer von Hauptschulen im Kreis Göppingen gebracht. Viele Unternehmen
stünden vor dem Problem, dass Schulabgängern oft die Kenntnis der einfachsten
Regeln des Zusammenlebens fehlt. Derzeit schulen Trainer aus der Wirtschaft etwa 1.000 Jugendliche mit dem
Ziel, ihnen zu einer Lehrstelle zu verhelfen. "Wenig Sinn macht es, wenn eine
Benimm-Tante in die Schule geht und erklärt, wie Schüler sich zu verhalten
haben", sagt Imgart. Ein besserer Ansatz sei, die Jugendlichen zu befähigen,
entscheidende Situationen wie Bewerbergespräche zu bestehen und das innere Chaos
zu beherrschen. Eltern und Lehrer seien nach dem Training oft überrascht: "Was
habt ihr eigentlich mit unseren Kindern gemacht?" Internet: www.meine-vhs.de,
Knigge-Kurse der Volkshochschulen unter dem Stichwort "Knigge" Literatur: Bonneau, Elisabeth: Spaghetti, Jeans und gute Sprüche - Knigge für
Kids, Ellermann Verlag 1998. Cramm, Dagmar von: Kinder-Knigge - Höflichkeit, Rücksichtnahme,
Tischmanieren; Südwest-Verlag 2001. (1329/28.10.03) |